JA, ANGST WAR DA AUCH

Es gibt da verschiedene Arten Angst, gerade interessiert mich die Variante „Übergänge in Neuland“.

Szene A: vor 111 Tagen pese ich wie verrückt durch meine Wohnung und packe mein Auto für eine Reise, von der ich nur die erste Station kenne, und weiss: ich werde weiterfahren. Irgendwohin. Dahin, wo bei dem Gedanken daran dieses unwillkürliche innere Lächeln aufsteigt.  Und ich habe kein Geld, also richte ich alles so ein, dass ich im Auto wohnen kann: Matratze, Gaskocher, so wenig wie möglich (3,5qm) und alles was nötig erscheint im Falle des Falles „Winter is Coming“. Ohne wirklich dran zu glauben, sonst hätte ich auch die Kartuschen für den Gaskocher mitgenommen, oder die externe Festplatte. Mein Herz schlägt Kapriolen, ich bekomme kaum Luft, die Sicht verschwimmt, der Kopf steht unter Druck wie kurz vor’m Deckel abspringen und ich schwitze. Eine Angst ohne Gesicht und ohne Geschichte, ohne konkreten Anhaltspunkt, so allgemein wie unter eine riesige Welle zu geraten, mit dem Unterschied, dass diese Welle für ein paar Stunden bleibt, während ich…

..ich, ich mache nichts damit, will ich nicht, ich erlebe es halt, unfähig zu unterscheiden ob diese Angst mich vor einem riesigen Blödsinn warnt oder etwas anderes zu bedeuten hat. Ich erlebe UND sehe zu wie ich weitermache mit Packen und schließlich aufbreche, fahre, ein paar Stunden bis Amsterdam, und dann erst lassen die stärksten körperlichen Symptome etwas nach. Ich habe noch immer nicht das Gefühl „das Richtige“ zu tun, „das Stimmige“, mein innerer Kompass dreht sich orientierungslos im Kreis, ich weiss garnichts, außer dass das eben jetzt das ist, was ich jetzt erlebe. Und dass alles was ich erlebe dem dient, was ich für mein Leben gewählt habe: diese stille Freude am Sein zu leben, ohne zu planen, nochmal OHNE PLAN, sondern dem Leben zu erlauben sich aus meiner Stimmigkeit mit dem Moment, an der Wärme meines Vertrauens entfalten zu lassen, zu üben, meinen Impulsen zu folgen, mit meinem Herzlächeln als Kompass und alles zurück zu lassen, was dem im Weg steht, ja, und das einfach zu tun, und auch weil ich anfang des Jahres dachte mein Sohn sollte mehr seinen Impulsen vertrauen, jetzt ist es an der Zeit, alles das, was ich vertrete ohne Netz und doppelten Boden einem Praxistest zu unterziehen, was gibt es schon zu verlieren also spring, und das fängt so einfach an wie einfach losfahren, jetzt – ein konfuser Satz? Stressig? Genau SO fühlte sich das an.

Die Reise, kurz angemerkt, hat bisher 3 Monate gedauert, und hat mal eben die Basis für Alles in mir verändert, aber darum geht’s ja grad nicht 😉

Szene B: Ich war über Weihnachten nachhause (nachhause, komisches Wort, meint die Wohnung wo meine Sachen stehen und sonst niemand ist) geflogen. Winter has come, tatsächlich. Jetzt ist der Koffer gepackt, und in wenigen Stunden geht mein Flieger zurück nach Lissabon, wo hoffentlich ganz lieb und einfach mein Auto (gestatten: Sigmund Signum Irmscher) auf die unbekannte Weiterreise wartet. Ich erlebe die gleichen überwältigenden Symptome wie vor 111 Tagen…
das komplette Programm, siehe oben… 
…diesmal mit umgekehrten Vorzeichen: ich ziehe in Erwägung nicht zu fliegen, sondern meinen Aufenthalt hier zu verlängern. Mich darauf festzulegen, jetzt wirklich diesen Blog auf den Weg zu bringen. Mein Laptop ist fast hin, und der Blog braucht noch Zuwendung- kurz es gibt Dinge zu tun, die die Voraussetzung schaffen, mich Dir und anderen, die ich nicht kenne, mitzuteilen, ohne zu wissen worüber und wie. Wie gesagt: ohne Plan. Wieder mache ich nichts mit der Angst, als sie zu erleben. Ich habe gelernt, wie man daran arbeiten kann, und darin liegt immer eine gewisse Verlockung, und ich habe auch gelernt: es ist wahrscheinlich nur eine Ablenkung, und es geht sowieso vorbei, also Augen auf und durch.

Der Flieger flog, ich blieb. Ich schreibe. Und beim Schreiben denkt es auf dem Papier etwa folgendes:
Wenn ich eine Tat setze, die nicht nur ein bisschen am Lack kratzt, sondern das Fundament meines menschlichen Angstgebäudes, meines Glaubens an Begrenzung in Frage stellt, gibt Angst einmal so richtig alles und macht solchen Dampf, dass es mal eben die gesamte Lebenslandschaft in Nebel hüllt. Man fühlt sich blind, und ist es auch, sonst wäre es nicht Neu sondern Altbekannt. Gutes Zeichen also, nur sehr unangenehm.

Oder so: wenn immer ich mich anschicke, wirklich grundlegende Ängste herauszufordern, in Szene A Existenzangst und ihre Freunde, in Szene B die Angst vor Sichtbarkeit und alle ihre Verwandten, überholen sie mich rechts und laufen voran, allesamt in Verkleidung, und machen sich so breit, dass kein Weg mehr zu sehen ist. Das ist ein Spiel. Wenn sie vorne bleiben, haben sie gewonnen, wenn ich wieder überhole, ist im Rückspiegel niemand mehr zu sehen. Nicht wirklich. Nur ab und zu die verwunderte Frage: warum habe ich das nicht schon viel früher gemacht?

Vielleicht verhält sich das ähnlich wie bei Lampenfieber, man gewöhnt sich nie daran, es bleibt eine Tortur bis sich der ganze energetische Aufruhr gereinigt in die vielliebe Präsenz entspannt, auf englisch gefällt mir das besser: relaxes into the simple magic of now. Mein absolutes Lieblingsding in diesem Leben. Und immer wieder neues Neuland.

 

Hast Du tatsächlich bis hier gelesen? Wirklich? Dann würde ich mich freuen, wenn Du einen Kommentar hinterlässt!

6 Responses

  1. Ja, hab ich. Auch die davor – WELCH wunderbares Schmetterlingstuch da beim ersten Post! Welch grandiose Höhle! Jetzt: Genickt, viel; geschmunzelt, ein wenig. Wo mag die Reise hingehen?

    1. Frau Claudia, Danke für die Blumen, und von wieder mitten in der Reise, Portugal, schreibe ich zurück: die Reise geht ins Vertrauen. Oder so.

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